Offener Brief von Nikolaus Hamann: "Öffentlichen Büchereien ist Leseförderung"

Offener Brief von Nikolaus Hamann: "Öffentlichen Büchereien ist Leseförderung"

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
 
Wieder einmal erreicht uns ein schlechtes Ergebnis in Lesekompetenz bei der Pisa-Studie 2015, und wieder einmal fragt sich anscheinend niemand, ob neben der Schule nicht auch ein sehr viel besser ausgebautes System an Öffentlichen Büchereien zu besseren Ergebnissen bei der Basiskompetenz Lesen führen könnte.
Für sozial gerecht denkende Menschen ist besonders erschreckend, dass schulische Bildung nach wie vor nicht in der Lage ist, Unterschiede der Bildungsherkunft auszugleichen. Kinder von Akademiker*innen erreichen nach wie vor 100 Punkte mehr als Kinder aus Familien mit Pflichtschulabschluss. Gerade hier könnten nicht-formale Bildungsangebote wie Öffentliche Büchereien einen Ausgleich schaffen. Allerdings werden sie nur von knapp 10% der Bevölkerung zumindest einmal im Jahr aufgesucht. Das ist ein in Europa und weltweit extrem niedriger Wert.
Eines der zentralen Angebote der Öffentlichen Büchereien ist Leseförderung – aber eben nur dort, wo es Büchereien gibt, und eben nur für diejenigen, die dieses Angebot für sich (und ihre Kinder) nutzen. Dass dies nur so wenige tun, hängt mit den großen Problemen der Öffentlichen Büchereien zusammen: Sie sind meistens zu klein, haben oft nur wenige Stunden pro Woche offen, und ihr Budget ist (außer in den großen Städten) fast immer zu niedrig, um eine zufriedenstellende Erneuerungsquote zu erreichen.
Die Gesamtaufwendungen pro Einwohner*in für Öffentliche Bibliotheken betragen in Österreich EUR 7,13. In den Bundesländern gibt es große Unterschiede, auch was die Subventionierung betrifft. Auch die Mittel für den Medienankauf schwanken zwischen 43 Cent pro EinwohnerIn in Kärnten und EUR 2,70 in Vorarlberg. Der Österreich-Durchschnitt liegt bei EUR 1,01.
Außerdem wird ein extrem hoher Prozentsatz der Büchereien von ehrenamtlichen Kräften betreut, die zwar viel Engagement für die Büchereiarbeit einbringen, eine professionelle hauptberufliche Betreuung aber doch nicht ersetzen können.
Was wäre also zu tun?
•    Integration des Bibliothekswesens als größte außerschulische Bildungseinrichtung in alle bildungspolitischen Entscheidungen
•    Stärkung des Kultur– und Bildungsauftrages der Bibliotheken und deren emanzipatorischen Anspruchs
•    Zusammenführung der derzeit getrennten Schwestern Öffentliche Büchereien, Wissenschaftliche Bibliotheken und Schulbibliotheken zu einem gemeinsamen österreichischen Bibliothekswesen
•    Ein alle Bibliothekstypen umfassendes Bibliothekengesetz nach internationalen Best-Practice-Beispielen
•    Eine Verpflichtung der österreichischen Kommunen durch dieses Gesetz, öffentliche Büchereien einzurichten, mit angestellten BibliothekarInnen zu führen und zu erhalten
•    Umwandlung bisher ehrenamtlich oder nebenberuflich geführter Büchereien in solche mit hauptberuflicher Betreuung, insgesamt die Überführung ehrenamtlicher in vertragliche Anstellungsverhältnisse (wenn von den KollegInnen gewünscht)
•    Ein Bibliotheksentwicklungskonzept, in dem der gesellschaftliche Auftrag an das österreichische Bibliothekswesen formuliert wird
•    Ein zentrales Institut für das gesamte Bibliothekswesen für Forschung, Entwicklung und Beratung der Bibliotheken als Instrument der strategischen Planung und organisatorischen Entwicklung

Für vertiefende Nachfragen oder ein Informationsgespräch stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung!

Nikolaus Hamann
Bibliothekar i.R.
Arbeitskreis kritischer Bibliothekarinnen
und Bibliothekare (KRIBIBI)
www.kribibi.at

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